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Mein Haus hat keine Wände; Gedichte; Franz Dodel; gebunden, 83 S., Mai 2001
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zur Buchvernissage (9.6.01)
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Ich werde heute vor allem Gedichte vorlesen, in denen von Tieren die Rede ist, in denen Tiere vorkommen. Das ist nicht nur eine Referenz an den Verlag Haus am Gern, der ohne Tiere, namentlich ohne Katzen, gar nicht vorstellbar ist.
Es geschieht dies auch, weil mein Verdacht keinesweg nur wage ist, dass die menschliche Sprache eigentlich, und Lyrik ganz besonders, eine lautgewordene Erinnerung ist: nämlich an die Art und Weise, wie sich Tiere mitteilen und verstehen; also ohne zwischen Laut geben ("Reden") und Hören zu unterscheiden, ohne diesen Graben von Missverständnissen, der sich zwischen Sprechendem und Hörendem bei uns immer wieder auftut. Es ist einfach so: Die Tauben gurren, die Stadt dröhnt leise und langsam wird es Nacht.
Ich bin überzeugt, dass der Höhepunkt der Lyrik mit der Hingabe der Quallen an die graugrünen Strömungen der unermesslichen Meere zu Ende ging.
Trotzdem sollten sich Gedichte nicht darauf beschränken, Kommunikation demonstrativ zu verweigern. Nicht zu kommunizieren ist bekanntlich ohnehin ein unmögliches Unterfangen. Tiere kämen -dies nur nebenbei - nie auf solch solipsistische Ideen. Gedichte sind Räume des Tastens und zwar für mehrere - sagen wir mal: taktil Interessierte, sind also Häuser des Erinnerns an etwas, das man gar nie vergessen hat. Sie sind das Blinzeln im Dunkeln, der Griff nach dem Kopfkissen bevor man einschläft. - Das Hörbarmachen von Gedichten ist das Echo der Federn.
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Hörübung für Liebende
Das Vorbeiströmen des breiten, graugrünen
Flusses.
Über dem See
die Regentropfen
zögern
hören
das trockene
Zittern der Gräser
auf dem Gipfel
Sonnenaufgang.
Die warme
Schafherdenwolke
das Erschrecken
von hundert Glöckchen,
das Talabwärtsgetrampel
der kleinen Hufe.
Das flache Rauschen
eines Ameisenhaufens hinein
in die Lichtschächte des Waldes.
Hinhören: Dort wo der
Bergsee abfliesst, knapp
unter dem Wasser
liegt ein Teppich
voll blühender Blumen
auch einige Äste.
Ein Flugzeug fliegt
(an einem heissen Sonntagnachmittag)
über den wolkenlosen Himmel
immer geradeaus.
Hinter sich ein flatterndes Band
auf dem steht: "Alles in Ordnung".
Vor allem aber:
Der graugrüne Fluss.
(Für B. und A.)
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<<< Bieler Tagblatt vom 07.06.2001, Kultur
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<<< Der Bund, Ausgabe-Nr. 299, 22.12.2001, Ressort Kleiner Bund
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