«BARBARA MEETS BARBIE
Ralf Beil zur Installation BARBIE
„Barbie“ hat Barbara Meyer Cesta ihre Ausstellung genannt. Muss man Barbie in Biel vorstellen? Man muss. Denn nur wenige wissen, das ihr Prototyp 1952 in Deutschland von einem Karikaturisten erfunden wurde. Damals, unter dem Namen Lilli, füllten ihre Formen eine aufsehenerregende Spalte der Bild-Zeitung. 1955 wechselte Lilli von der Zwei- in die Dreidimensionalität, weiterhin verrucht und lasziv, laut Internet-Quellen gar als „zweideutiges Geschenk bei Herrenabenden (...) gefragt, geliebt und gefürchtet.“ Mit allen Rechten in die USA verkauft und für den amerikanischen Markt adaptiert, wurde Barbie schliesslich 1959 als immer noch üppiges, aber eindeutig weniger zweideutiges Wesen geboren. Ihr Name: die amerikanische Kurz- und Koseform von Barbara.
Barbara meets Barbie, Barbie meets Barbara. Es ist kein Zufall, dass die beiden so unterschiedlichen Wesen hier in Biel aufeinandertreffen. Nicht nur der gleiche Name und Jahrgang verbinden sie. Die Barbie-Homepage von Mattel verkündet es blümchenbunt in aller Welt: „Barbie liebt Kunst“. Und Barbara? Barbara macht Kunst. Und wie? Na mit der lieben Barbie eben.
Alles beginnt mit einem Ball. Eben jenem Ball, der hier aufgesockelt, vor allzu neugierigen Besuchern geschützt, unter Plexiglas zu entdecken ist. Ein frühes Merchandising-Produkt des global betriebenen Barbie-Kults, zeigte er einst zwei wunderbar lächelnde Barbie-Gesichter, in die man grausame Ironie eines Kinderspielzeugs nach Belieben beherzt treten konnte. Genau dies scheint Barbara Meyer Cesta gereizt zu haben. Jedenfalls hat sie das dreidimensionale Doppelporträt von Barbie nach Art jugendlichen Zimmerfussballs so lange in eine Ecke gekickt, bis nichts mehr von der einstigen rosaroten Barbie-Pracht übrig war. Einem Memento gleich hören wir noch immer den harten Aufprall des gegen die Wände prallenden Balls, den Takt des monotonen Spiels, das sonst gemeinhin nur die Langeweile totschlägt.
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Seit Bruce Naumans Zeiten ermüden sich KünstlerInnen immer wieder mit körperlichen Exerzitien im Atelier. Bei Barbara Meyer Cesta liegt diesem Exerzitium allerdings ein klares Ziel und eine sehr effiziente Methode zugrunde: Um für die Abnutzung und den Abrieb des Balls nicht Monate zu brauchen, war die Roggwiler Atelierecke mit herrlich grobem Schmirgelpapier ausgekleidet. Die anderthalbstündige Aktion wurde via Video dokumentiert und ist nun als Performance-Dokumentation mit dem Titel „Barbies Portrait“ erstmals zu sehen.
Die Künstlerin erstellt damit ein nüchternes Bild ihrer ausdauernden Arbeit permanentes „Am Ball bleiben“ und lässt dabei zugleich das titelgebende Porträt verschwinden. Das Bild der allzu süsslichen Namensvetterin aus Amerika wird förmlich ausradiert. Eine bei aller physischen Anstrengung geradezu leichtfüssige Variation der Arbeit am Kultbild, wenn man bedenkt, dass Robert Rauschenberg 1953 „vier Wochen hart arbeiten“ musste, um eine Zeichnung seines damaligen Kunstidols Willem De Kooning eigenhändig auszuradieren.
Anstelle eines bis auf wenige Tintenspuren leeren Blattes in einem vergoldeten Rahmen bleibt bei Barbara Meyer-Cesta das nahezu abstrakt-weisse Vinyl-Rund unter Plexiglas als Performance-Relikt und es bleiben einige Portraits von Barbie, geschossen in kurzen Verschnaufpausen während des trittweisen Verschwindens der Abbilder. Die beiden Foto-Tondos, die wie abgenutzte Trommelfelle eine schemenhafte Ahnung der Gesichter geben, zeigen, durchaus mit Anklängen an die Ikonographie des „Schweisstuchs der Veronika“, Barbie als kultisch-ikonische Erscheinung süsslicher Schönheit kurz vor ihrem endgültigen Vergehen.
Wird mit der Werkgruppe „Barbies Portrait“ ein seit Anfang der 60er Jahre für Milliarden Kindheiten rund um den Erdball bestimmendes Idealbild durch ein leicht verschärftes Kinderspiel dekonstruiert, im vergeblich bleibenden Versuch, es auszulöschen, so wird dieses Ideal in Barbaras ebenfalls für diese Ausstellung entstandenem Frauenakt-Fries offensichtlich rekonstruiert. Auch hier ist der Ausgangspunkt ein Ready-made im weitesten Sinn: War es in „Barbies Portrait“ der in einem Spielzeugladen gefundene Ball, so ist es hier der nach dem Bekunden der Künstlerin „wunderschöne Körper“ einer schwedischen Schauspielerin mit eben jenem wasserstoffblonden Haar und jenem Mund und Blick, der „Barbie“ so berühmt gemacht hat.
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Barbara Meyer Cesta hat diese Frau ungestüm vor der Kamera springen lassen, so wie der berühmte amerikanische Porträtfotograf Philipp Halsman einst Salvador Dalì und Marilyn Monroe vor seiner Linse springen liess. Danach hat die Künstlerin digital in Inez van Lamsweerde-Manier die primären wie sekundären Geschlechtsmerkmale ihrer Schwedin verwischt, bis sie zu einer zweidimensionalen Doppelgängerin der markant geschlechtsteillosen Barbie-Puppenfigur wurde.
Barbaras Bildbearbeitung lässt allerdings bei näherer Betrachtung der Aktserie im Gegensatz zur stets makellosen Barbie und dem Glamour der Lamsweerde-Fotos gerade die natürliche Unvollkommenheit des Modellkörpers hervortreten: die Schrammen an den Knien, die Narben am Bauch, die das Leben auf den realen Körper gezeichnet hat. Was bleibt, ist 48 Mal körperliche Irritation vor Weiss, Hellblau und Lachs, durch einen unbekleideten Körper, der ganz nach „Barbie“-Art eben gerade keine nackten Tatsachen zeigt. Der Titel der Aktserie lautet „Courtesy“, denn dank dem Spielzeugkonzern Mattel und seinem Produkt, der figurbetonten Anziehpuppe „Barbie“, kann hier über die Abgründigkeit von Körperidealen reflektiert werden. Ganz ohne Zubehör und modischen Chic, entblösst Barbaras „Barbie“ die sonst unter Accessoires aktueller Mode und Zeitgeistartikeln verborgene „Kastration“ des Frauenkörpers im Namen politisch-moralischer Korrektheit. Eine kuriose Körperauslöschung durch Glättung, die nun bald schon ein halbes Jahrhundert andauert und ein weltweiter Exportschlager ist.
Soweit, so Barbie. Doch was zum Teufel haben die grossen gelben Punkte hier überall auf dem Galerieboden zu suchen? Notorische Kunstreisende mögen zuerst an die Grande Dame des „Japanese Pop“ Yayoi Kusama denken, die in ihrer „Dot Obsession“ erst unlängst im Migros Museum Zürich und an der Biennale von Lyon komplette Räume mit farbigen Punkten überzogen hat. Hier in Biel, bei Barbaras Boden gibt es einen kleinen, feinen Unterschied: Er lässt aus vergleichsweise unverfänglicher „Op-Art“ eine „Rub-Art“ mit Barbie-Bezug werden.
Bei den Gelbkreisen handelt es sich um extragrobes, für industrielle Zwecke gefertigtes Schleifpapier der Marke „siafast“. Wiederum ein Ready-made also, dessen Bearbeitung die Künstlerin diesmal allerdings Ihnen, verehrte Anwesende, überlässt. Ihre Schuhsohlen werden einem Abrieb ausgesetzt, der zugleich unweigerlich Spuren auf dem industriell gefertigten Schleifpapier hinterlassen wird. Farbschönheit wird befleckt und beschmutzt von den niederen Realitäten der Aussenwelt, verschwindet schlussendlich vielleicht sogar, wer weiss. Hier schliesst sich ein Kreis zum Barbie-Ball „Tête de femme“ und damit zum Kopf, der das wissen wir spätestens seit Picabia vor allem deshalb rund ist, damit das Denken die Richtung wechseln kann.
Mit Daddy Duchamp an ihrer Seite und einigen anderen KollegInnen im Gepäcknetz, ist eben dies, so scheint mir, eines der Ziele von Barbara Meyer Cesta in ihrer multimedial betriebenen „Barbie“-Umspielung.
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