Annelise Zwez / Bieler Tagblatt 30-10-2003 / Kultur

Biel: Neue Galerie für zeitgenössische Kunst

Eine Plattform für Denkanstösse

An der Quellgasse 3, in einem einstigen Uhrenetablissement, gibt es seit Sonntag eine neue Galerie. Erster Gast des von Solothurn nach Biel kommenden Galeristen Alfred Maurer ist Barbara Meyer Cesta.

«Barbie» heisst die erste Galerie-Einzelausstellung der durch pointierte Performances, zuweilen Aufsehen erregende Duoarbeiten mit Rudolf Steiner («Fallada») und als Mitinhaberin» von «Haus am Gern» bekannten Bieler Künstlerin Barbara Meyer Cesta (BMC).

Kinder lieben Barbie; die Puppe ist, kann und darf, wovon sie erst träumen. Erwachsenen ist Barbie ein Dorn im Auge, sie steht für Magersucht, Schönheitsfimmel und Weiblichkeit ohne Geschlecht. BMC präsentiert in ihrer Ausstellung Aktfotografien in (fast) identischen Dreier- und Fünfergruppen, die vom Aussehen, von der Haltung und den Proportionen sogleich an Barbie erinnern, obwohl es sich klar um Bilder einer blonden Frau handelt, deren Geschlechtsmerkmale am Computer ausradiert wurden.

Keine Moral
BMC hebt keinen Moralfinger auf, sie zeigt lediglich und wartet auf die Reaktionen – jene der Frauen, der Männer, der Feministinnen usw. Und doppelt nach: Ein Video mit durchdringendem Ton zeigt einen Ball, der von (unsichtbaren) Füssen unablässig, hart und mit schmirgelnden Zwischengeräuschen in eine Wandecke gestossen wird. Der Ball ist als Objekt präsent, das Bild, das ihn einst verzierte, ist abgewetzt. An der Wand sind zwei Tondos - Bildzwischenstationen; sie zeigen die farbigen Schatten zweier weitgehend ausgelöschter Barbie-Gesichter. Und auf dem Fussboden kleben eine Vielzahl gelber Schmirgelscheiben. Uff! BMC schont nie. Sie schafft Plattformen für Denkanstösse. Sie provoziert - die Gespräche laufen, man kann nicht anders als sich mit dem Gebotenen auseinander setzen. «Das», so BMC, «ist meine Aufgabe als Künstlerin». Sie reiht sich damit in die in der Schweiz erst vereinzelt (Büchel, Motti, Gygi, Mathis u.a.), an der Documenta aber klar geforderte, gesellschaftspolitische Neuorientierung der aktuellen Kunst. Gleichwohl, und das zeichnet das Schaffen der Absolventin der Hochschule der Künste in Bern (1998) aus, bleibt sie am Bild, dem klassischen Medium der Kunst. Sie nimmt künstlerisch auf, was die Pariser Philosophin Marie-José Mondzain kürzlich in Biel forderte: «Denkt über die verführerischen Bilder nach, die man uns tagtäglich hinterhältig präsentiert.»

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