Auftrag: Haus am Gern ist Hauptsponsor des ersten Bieler Schattenlaufs vom Ostersamstag 2000. Du vertrittst den Veranstalter Trmasan Bruialesi beim Laufen.

Tenue: Sport

Stimmung: wagemutig

Dein: Haus am Gern.

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Stellvertretung am ersten Bieler Schattenlauf
Roggwil / Biel 22. 4 2000 8.00 - 18.00 Uhr

5. Rapport von San Keller
(in Klammern, Anm. Haus am Gern)


Am Abend davor kam ich mit dem Zug in Roggwil an und verpasste beinahe den Ausstieg, weil die Türe klemmte und als ich Barbara, Ruedi, Georg (Georg Traber, Artist) und Guggi (Beat Gugger, Museumsdirektor) im Garten sitzen sah, nahm ich aus lauter Uebermut in einem Sprung die Abkürzung über die Gartenmauer und verstauchte mir um ein Haar den rechten Fuss.
Besorgt um meine Verfassung steckten mich die Gastgeber zweimal ins hauseigene Dampfbad. Der Schweiss sollte schon einmal kräftig fliessen und mich zur Besinnung bringen. Die wenigen Trainingsläufe, zu denen ich mich im voraus durchrang, liessen sich an einer Hand abzählen. Voll und ganz vertraute ich auf meine sportliche Grundkonstitution. Mit der Bemerkung, ich laufe den Schattenlauf mit meinem Willen und nicht mit meiner Kondition, gab ich mich bereits im Vorfeld der Lächerlichkeit preis. Hätte ich im letzten Dezember die Stellvertretung im Centre Pasqueart ordnungsgemäss ausgeführt, dann hätte Tramsan
(Trmasan Bruialesi) den Schatten von Marcel höchstwahrscheinlich mit dem Auto transportiert und mein Leben wäre jetzt um eine bestandene Herausforderung ärmer. Auf jeden Fall liessen meine Träume nichts gutes ahnen: Ich war, bei nacktem Leibe, an einen grossen Scheiterhaufen gefesselt, den Barbara mit Benzin übergoss und in Brand steckte. Mir war im Traum nicht klar, ob die <Die Verbrennung San Kellers> mein eigenes Projekt oder eine böse Verschwörung war. Zum Glück riss mich ein vorbeifahrender Güterzug aus meinen Albträumen.

Am Morgen weckte mich der stechende Duft von Sportsalbe. Blauer Himmel. Wir erbauten uns am Frühstückstisch an wenigen Worten. Mit viel Einfühlungsvermögen würdigte die Berner Zeitung das Haus am Gern für seine Verdienste. Tramsan kratzte sich im Barthaar. Eine feine Nervosität lag in der Luft.Verheissungsvoll glänzte Marcels Schatten im Sonnenlicht. Erst nach der zweiten Tasse Kaffee stand auch das Solothurner Lokalfernsehn
(Intro TV) im Gartentor. Ich schaute auf meine langen Beine. Der Startschuss rückte immer näher. So, als wollte er nur kurz beim Nachbarn die Glut aus dem Feuer holen, stand Tramsan im Garten. Dann der Startschuss. Leichtfüssig nahm er die erste Kurve um die Gartenmauer. Angespannt begab ich mich in den Begleitwagen und wartete auf die Stellvertretung. San Vater fuhr den Wagen, Barbara (Barbara MeyerCesta, Kamera) führte die Kamera und mir wurde übel vom Rückwärtsschauen. Auch das Lokalfernsehn nahm die Verfolgungauf und gab sein Bestes. Der Kameramann mit dem goldigen Kreuz auf der Brust legte sich für spektakuläre Aufnahmen immer wieder gottergeben auf die Strasse. Ich spürte, wie das Feuer immer heisser wurde. Die ersten 10 Kilometer, sitzend im Begleitwagen, waren die härtesten Kilometer des ganzen Laufs. Tramsan schob den Wagen wie auf Schienen und lächelte uns eisern entgegen. Für kurze Zeit trennten sich unsere Wege. Er ging den schmalen Pfad der Aare entlang und wir blieben auf der Strasse. Dann war es soweit, mit der ersten Uebergabe hatte die Stellvertretung begonnen.

Auf den ersten Metern, im Schatten einem Waldrand entlang, liefen meine Kondition und mein Wille noch Hand in Hand. Später kam die Sonne, grüsste ein Bauer stumm, zogen Einfamilienhäuschen mal links und mal rechts vorbei, fiel ein Schweisstropfen zu Boden, schaute ein Autofahrer lange zurück, kam die erste Steigung und stieg und stieg und dann meldete sich mein Kondition, stellte mir Fragen und gab die Antworten gleich selbst. " Nimm Dir Zeit, laufe ein Stück!". " Lass Dich nicht vom deinem Willen treiben!" Dem Wille fehlte nach erst 5 Kilometern das Erfolgserlebis. San Vater (Fritz Keller, Supporter, Chauffeur) kam mir entgegengesprungen und half den Wagen hochzustossen. Da konnte ich einfach nicht stehenbleiben. Es ging weiter, weiter geradeaus, einwenig runter, einwenig hoch, wieder geradeaus und immer noch weiter. Zum Glück gab es Stellen, wo man mich nicht sehen konnte und niemand je wird sagen können, ob ich dort gelaufen oder gegangen bin.

Die erste Stellvertretung war kein Schleck, doch als ich den Wagen Tramsan wieder übergab, hatte ich Lust auf mehr. Mein Wille hatte Blut gerochen.

In Solothurn machten wir Halt. Tramsans Stimme war bereits im Radio zu hören gewesen. Transparente lobten uns und liessen die historische Kulisse klein erscheinen. Hände wollten uns berühren. Wir priesen den Schatten als wahren Helden. Ein Held, der uns Künstler, alle überschattet. Trotzdem waren unsere Köpfe bereits heiss von der Sonne. Die Medien eilten uns voraus und wir folgten der Kunst. Zum Glück waren da noch Dodels (Franz Dodel, Franziska Jakowetz, Samariter), die uns mit Herz und Verstand wieder auf den Boden holten.

Nach Solothurn, als es endlos geradeaus ging, plauderte ich einwenig zuviel mit dem Begleitwagen und verlor dabei die Kontrolle über meinen Wagen. Vorsichtig trat der Schatten mit einem Personenwagen in Kontakt. Die Insassen (Max von Moos und Begleiterin) glaubten an eine Erscheinung als sie die schwarz glänzende Gestalt unversehrt vor sich liegen sahen. Nichts war passiert, nur die Schattenliege war gebrochen und diese wurde von San Vater und Tramsan kurzerhand geflickt.

Dem Unfall zum Trotz lief ich weiter gerade aus. Die Strasse zog sich endlos und der Begleitwagen war nur mehr ein roter flirrender Fleck am Horizont. Langsam trug ich schwer an den Beinen, die Füsse wurden heiss und heisser und für die Sonnencrème war es bereits zu spät. Am Ende der Geraden musste ich den Wagen fliegend übergeben und in einem Vorgarten in die Büsche gehen.

Langsam wurden die Strecken zwischen den Ablösungen immer kürzer und schienen uns trotzdem viel
länger als die langen Stecken zuvor. Dennoch rückten wir dem Ziel unerwartet schnell immer näher. Zuerst dachten wir an eine Uebernachtung unterwegs und jetzt war Biel nach 6 Stunden bereits in Reichweite. Uns dämmerte es langsam. Was wir da machten, war gar nicht so verrückt, wie wir uns dies vorstellten. Die Schlusssteigung mit 18 Prozent war nichts für Anfänger, doch als wir oben waren, hätte es ruhig noch weitergehen können. Gemeinsam, Arm in Arm mit Tramsan und dem Schatten, nahmen ich die letzten Meter bis ins Ziel. Gemeinsam waren wir stark genug. Alle vier Beine streckten wir von uns und merkten langsam.Da waren wir.

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