Auftrag: Finde Dich am Freitagabend um 20:00 vor der Kunsthalle ein. Dort erhältst Du weitere Anweisungen und Equipement.

Tenue: Gala

Stimmung: offen-heiter-angeregt

Dein: Haus am Gern.

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Auftrag von Haus am Gern an dessen Stellvertreter San Keller für das offizielle Essen in der Kunsthalle Bern vom 17. 03.2000 um 20 Uhr, überreicht von Haus am Gern Gast Zuzanna Nathalia Steiner vor der Kunsthalle Bern.

Lieber Stellvertreter!

Da unsere Bestimmung (zurzeit im Dampfbad schwitzend an Dich zu denken) darin besteht, jeden Freitagabend (bis 30. April) den Wet Cube in der kunsthale r-w anzuwerfen, darfst Du mit der Überbringerin dieser Botschaft, Zuzanna Steiner, (16-j.Tochter des Ruedi Steiner alias Trmasan Brulalesi,) und ihrer uns unbekannten Begleiterin das KunsthalleEssen geniessen. Wir denken, dass die beiden jungen Frauen eine anregende Begleitung Deiner stellvertretenden Präsenz in der Kunsthalle Bern sind. Sie sind in präzisem Sinne Gäste des Haus am Gern und Du stellvertretend für uns ihr Gastgeber und Beschützer. Pflege die Konversation mit ihnen und mache sie mit wichtigen Persönlichkeiten als Gäste des Haus am Gern bekannt - wie sich das so gehört in gepflegten Kreisen.

Die Uberbringerin dieses Auftrages, die schon genannte Zuzanna Steiner, übergib Dir gleichzeitig eine Tasche mit zwei in Packpapier eingeschlagene Gegenstände, eigentlich sind es deren drei:
In Pack Nr. 1 liegt ein Paar Schuhe für Dich, Marke Haus am Gern Arbeitsschuh mit Stahlkappe, antistatischer sowie ölbeständiger Sohle, Grösse 45. Zu Deiner eigenen Sicherheit solltest Du diese Schuhe noch vor dem Eintritt in die Kunsthalle anziehen (ansonsten wir keinerlei Veranwortung übernehmen können).
In Pack Nr. 2 findest Du einen weissen Helm und eine rotweisse Absperrkette mit
zwei Vorhängeschlössern (der Schlüssel ist derselbe für beide).

Wir überlassen es Dir und Deinem physischen und psychischen Zustand an diesem Abend, ob Du stellvertretend für Haus am Gern mit dem Kopf durch die Wand der Kunsthalle Bern willst (aber bitte sanft) oder ob Du stellvertretend für Haus am Gern eine Zone in der Kunsthalle Bern absperrst und die Schlüssel fortwirfst (oder sie B. Fiebicher überreichst) oder ob Du stellvertretend für Haus am Gern ganz einfach Dir liebevoll den Magen vollschlägst und ein Glas Wein trinkst und unerkannt und unberührt von jeglicher Unbill den Abend an Dir vorüberziehen lässt. Du bist Haus am Gerns Stellvertreter.

Die genannten Gegenstände sind - wie auch der Stellvertreter - Bestandteil des Archives von Haus am Gern. Haus am Gern ist ein Unternehmen nach allen Regeln der Kunst. Etc.

Viel Glück und viel Spass!

Dein Haus am Gern
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liebes haus am gern

der stellvertreter meldet sich mit rapport ende dieser woche. euer san ist fleissig im einsatz in lausanne (nachtwanderung),
interlaken (destruction service), zürich (hausbau für ping-pong) und dann material (migros museum heftli) u.s.w

so gott will, gehen schnugg und schnugg dann in die ferien.

doch von teenis, gesprächen auf der toilette, müden gesichtern, ankettungen, von der hoffnung endlich einmal verhaftet zu werdet ihr bald mehr erfahren.

gruss und kuss euer san
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Rapport Zuzanna Steiner

punkt 20.00 uhr
nora j. und zuzka s. stehen - pünktlich wie's sich gehört - vor der kunsthalle bern um dort auf den berühmten san keller zu warten.

20.05 uhr
san keller kommt angepirscht mit seinem wiegenden san-gang und bleibt etwas verwirrt stehen. seine verwirrung wird noch grösser als statt des äussertst haarigen herrn rututudis mit bassstimme und seiner lockigen begleitung zwei äusserst süsse und charmante girlies in röckchen und turnschuhen auf ihn zugeschlendert kommen, die eine lässig eine zigarette rauchend die andere einen weissen umschlag zückend. diesen weissen umschlag wird san ohne weitere erklärungen (ausser eines freundlichen hallo natürlich) in die finger gedrückt. anschliessend wird der nun weniger verwirrte san mit zwei paketen beladen. die drei begeben sich zur treppe der kunsthalle, wo san die pakete auspackt, was wiederum von zuzka s. fleissig fotografiert wird, und die weissen turnschuhe montiert und die absperrkette unter den arm klemmt. auf den helm muss san leider (für uns zum glück) verzichten, den sein haupt ist zu gross dafür.

20.20 uhr
nachdem an der kasse die getränkebons geholt waren, stehen die drei musketiere nun an der bar, schlürfen prosecco (was den eher süssen likör gewohnten gaumen von nora j. und zuzka s. eher weniger zusagt, aber man ist ja gut erzogen...) und studieren die äusserst spiessige pseudo-künstler-gesellschaft. bemerkung: san keller erfüllt seinen bodyguard job bestens, er begleitet die damen sogar fast bis vor die toiletten. ausserdem ist er sehr gastfreundlich. einzig die zweideutigen bemerkungen trüben die sorglosigkeit der jungen herzen (dinge wie: vielleicht gibts ja noch nen schöneren ort um diese kette zu anzubringen...)
allgemeineindruck:
die gesellschaft ist sehr von sich überzeugt, v.a. davon wie überlegen sie doch ihrer mitwelt sind und wie schrecklich guuuuuut sie sind und achach, was wäre die welt bloss ohne sie? noch viel trostloser! ratlos! katastrofal und richtig schrecklich! sie sind ja einfach unentbehrlich. genau.

21.00 uhr
ENDLICH!!!!!!! man kann sich aufs buffet stürzen!!! also schnappen sich die drei hungrigen helden des abends einen kleinen holzteller und noch kleineres, unhandliches aber praktisches und umweltfreundliches besteck und stellen sich brav in die reihe. und während nora und zuzka über eine laufmasche in der strumpfhose einer dickwadligen frau, die - wie es sich für eine LAUFmasche gehört - immer weiter läuft, lästern betrachtet san aufmerksam seinen holzteller mit dem grünen punkt und denkt laut darüber nach dass dieser teller ohnehin zu klein ist und dass er wohl dauernd hin und her laufen wird.

21.15 uhr
nun gehts an mangaren. die drei musketiere haben ihre teller mit reis mut grüner oder roter (und scharfer) sosse, nudeln mit huhn und gemüse, chèrie-tomaten, indischen dipps und gebackenen kräckern beladen und sitzen nun mit ein paar anderen, unbekanntan leuten, an einem runden tisch auf dem weisse kerzen stehen. der raum ist dämmrig und angenehm und es ist richtig gemütlich dazusitzen und zu essen.

21.45 uhr
man hat bereits ein zweites mal geholt und ist nun ziemlich genau soooooooo voll. langsam aber sicher beschliessen die damen das schlachtfeld zu verlassen. san drängt zwar zu einem dessert, aber - obwohl es wirklich sehr verlockend aussieht - die beiden damen können nicht mehr, und auserdem achtet man ja auf die linie.

22.10 uhr
nora j. und zuzka s. haben nun endgültig die nette, kravattierte und minischübblierte gesellschaft mit laufmaschen und ohne verlassen, sich freundlich von san verabschiedet und höflich bedankt, um dann den nachhauseweg (der sie noch über die pläfe und die reithalle führte) angetreten.

ihr kommentar:
das essen war tiptop, die gesellschaft nicht so ganz ihrem geschmack entsprechend, und sie sind sich einig: der gute rutututi und die barabarella werden wohl nur zu gut wissen, wieso sie nicht selber an diese veranstaltung sind... aber es war ne witzige erfahrung und amusement war 100 % vorhanden!

ganz liebes grüusen und tant bisous, zuzka szteiner-charbonnier

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4. Stellvertretung am Kunsthalle-Essen

Kunsthalle Bern, Freitag 17.3.00, 20.00 - 22.30 Uhr

in Begleitung von Zuzanna und Nora

4. Rapport von San Keller
Ich ging dem Geländer entlang über die Kirchenfeldbrücke und blieb in mir gespannt. Ehrfürchtig erwartete ich das Haus am Gern.
Bestimmt hatte dieses hier bereits sein riesiges Zelt aufgeschlagen. Wahrlich, das Haus am Gern kennt keine Grenzen. In seinem Schoss bin ich geborgen, doch ich hatte meine eigenen Grenzen überschritten. Ich glaubte zu wissen, wo das Haus am Gern freudig Türen niederreisst und steckte das neue Centre Pasque Art in Flammen. Nun sollte ich hier vor der Kunsthalle gerechte Busse tun. Hilflos dachte ich mir,- wenn ich mich, wenn ich San Keller bin, bin ich auch ein Teil vom Haus am Gern. Ich stand vor der Kunsthalle und starrte ins Leere. Ich erwarte die Hände von Rudolf Steiner und Barbara Cesta-Meyer, die aus dem Nichts mich packen und in Ketten legen. Doch die Welt lockte mich und ich liess mir den Blick von zwei blutjungen und bildhübschen Mädchen verdrehen. Ich zündete mir noch eine Zigarette an und wippte tänzerisch in den neuen Turnschuhen. Plötzlich traff mich der Schlag. Die beiden Mädchen blicken schüchtern zu mir hoch und überreichten mir ein Päckli. Was hatte ich bis heute falsch gemacht?

In dem einen Mädchen erschien mir Rudolf Steiner, er sprach fromme Worte zu mir, ich solle mich besinnen, meine Ausbrüche nicht hier in geordneter Gesellschaft praktizieren und sie beide in Mitleidenschaft ziehen. Wahrlich ein wohlerzogenes Kind, das von allen weltlichen Freuden abschwörrt und im Angesicht des unbegrenzten Haus am Gern, die eigene menschliche Beschränktheit erkannt hat. Das andere Mädchen war mir so fremd, wie mir Barbara Cesta-Meyer immer fremd sein wird. Sie schenkte mir ein Lächeln und ich wusste,- so süss kann Strafe sein!

Im Päckli, das ich öffnen musste, fand ich einen Brief, weisse Leichenwäscher Slipper, aus der Bauabteilung eine Spielzeugkette mit zwei Schlösschen und einen Absturzhelm. Alles feinsäuberlich mit dem Haus am Gern Logo gekennzeichnet. Zuerst gingen wir jedoch weder durch die Wand, noch über die Brücke und legten auch nicht den händeschüttelnden Kunsthallen Kurator in Ketten. Ich begab mich mit den Bildhübschen, die sich bald als Frühzubettgeherinnen erkenntlich zeigten, zuerst an die Bar und konnte gestehen, dass ich nach diesem Geisterfilm mit Bruce Willis unbeschadet nach Hause gekommen war und gut geschlafen hatte. Leider liess der prickelnde Prosecco die zwei Mädchen nicht aus sich kommen, vielmehr mussten sie sich regelmässig unter vier Augen vor dem Spiegel ihrer selbst vergewissern.

Als ich plötzlich allein dastand und in die Runde blickte, fühlte ich mich alt und um meinen Anschein betrogen. Unendlich weit schien das schützende Zelt, nicht nur für mich bestimmt und wer wusste schon davon. Sicher und präzis drehte sich die greise Runde gegen mich.

Die Kette lag tonnenschwer in meinem Sack und der Schutzhelm war Hohn auf meinem Kopf, obwohl ich ihn nicht trug. Für einen Moment stand ich schon draussen, doch die Busse war noch nicht getan. Nicht vor dem Spiegel, sondern im Dunkel des Projektraums versuchte ich mir und dem Haus am Gern gerecht zu werden. Ich legte mich in seine Mitte und hatte nicht die geringste Absicht, die Runde aus ihrer Mutter den heiligen Hallen zu befreien. Stumme Verweigerung drängte mich zur Tür.


Nachtrag: Der Mut hatte den liebesbedürftigen Menschenfreunden San Keller für einen ausgedehnten Moment verlassen und erst als eine fremde Hand ihn vom Bundeshaus loskettete, an das er sich in der äussersten Verzweiflung selber angekettet hatte, verspürte er wieder einen Funken Hoffnung, der bestimmt demnächst ein schmuseweiches Projekt zünden wird.

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