Wo begann die Umlaufbahn?
Ich dachte, dass der Kreis seltsame Ausformungen hat, als wir abrupt nach rechts abbogen. Auf dem Kreis gab es asphaltierte Strassen, Häuser, pflastersteinbedeckte Wege zwischen Einfamilienhäusern, unwegsames Gelände im Wald, Felder, Wiesen usw.
Im Wald schlugen Äste, die man nicht sehen konnte, ins Gesicht. Man warnte die hinter einem hergehenden vor ihnen oder bog sie zur Seite. Mit den Füssen verfing ich mich immer wieder in Brombeerstauden. Ich wusste nie, ob ich vorwärts schreiten konnte oder ob Brombeerstauden meinen Schritt zurückhielten oder mich zum Fallen brachten.
Wir hörten eine Eule. Wir standen still um sie nochmals zu hören. Wir hörten sie lange nicht. Die Wolkendecke war aufgerissen und der Mond sichtbar. Dann rief sie nochmals. Ich kenne kein Wort für den Ruf einer Eule. In den Wäldern Draculas ruft die Eule auch. Jemand knipste ein Foto von uns. Auf der Fotografie würden unsere Augen rot sein wei die blutunterlaufenen Augen des Grafen Dracula. Später sah ich eine riesige Eule aus Holz auf einem Sockel in einer Wegkreuzung stehen. Am Morgen hörte ich von gezüchteten Eulen in Käfigen, die in der Nähe des Hauses am Gern während einer Vogelschau gezeigt wurden und deren Blicke kalte Schauer über die Rücken jagten.
Wir gingen über einen Acker auf dem man mit den Füssen in aufgeweichter, nasser Erde einsank wei aufeinem Sandstrand. Das Gehen war langsamer und beschwerlicher. Ich hatte die Vorstellung wei es wäre, wenn man alle Erde, die an den Schuhen haften blieb, nicht wieder abklopfen könnte, und wenn man mit immer schwerer werdenden Erdklumpen an den Füssen herumlief. Auf dem Acker gab es Stoppeln, die durch Regen und Schnee aufgeweicht und geknickt in der Erde lagen und die wir durch unser Gewicht in den Boden hinein drückten. Wenn man mit nackten Füssen über die Stoppeln Liefe, würden sie nicht mehr stechen.
Wir mussten einen Kanal überqueren. Er war so breit, dass man Anlauf nehmen und rüberspringen musste. Nach dem Sprung beim Erreichen des andern Ufers fiel ich der Länge nach hin. Die Regenjacke half, dass nur meine Beine nass wurden. Bäuchlings am Boden noch eine Fotografie von mir.
Auf der zweiten Runde schneite es. Mit dem Einsetzen des Schneefalls war es dunkler geworden. Im Wald rief die Eule nicht mehr. Hatte sie sich schlafen gelegt?
Wenn jemand pinkeln ging warteten die andern, damit niemand verloren ging.
Das Blitzen des Fotoapperates in der Dunkelheit. Das Auftreffen des Blitzlichtes auf den Schneeflocken: lauter grelle Punkte, die für einen Moment stillstehen. Nach dem Blitzlicht einen Moment Blindheit im Blick.
In einem Haus erblickten wir ein Schiff inmitten eines grossen Schaufensters. Ein Schiff mit mehreren Masten und einer bestimmten Anzahl Knoten Höchstgeschwindigkeit. Wenn der Wind reinbläst, würden sich die trapezförmigen Segel aufblähen. Aus der Ferne würde man die vielen schwarzen Punkte auf den Masten als Matrosen erkennen, welche auf Befehl des Kapitäns die Segel in höchster Eile hochziehen.
Allmählich war es mir egal, wei ich in die Kamera blickte. Ich war zu müde dazu, Haltung einzunehmen.
Ich kam mir vor wie eine tote Seele, die durch einen Natelanruf erlöst werden wollte. Wäre das Natel noch nicht erfunden gewesen, wäre die Rückkehr anders verlaufen. Die GastgeberInnen hätten uns nach dem Aufstehen auf der Umlaufbahn gesucht und es wäre wie das Versteckspiel der Kinder gewesen, bei dem manchmal ein Kind unentdeckt zurückbleibt. Sie wären im gleiche Tempo in einem Kilometer Abstand hinter uns hergelaufen und hätten uns nicht erreicht. Man hätte in diesem Fall bestimmen müssen, wer mit dem Uhrzeiger und wer gegen die Uhrzeigerrichtung läuft.
Wir sassen oder standen erschöpft an Bäume gelehnt. Es schneite noch immer. Allmählich setzte die
Dämmerung ein und mit ihr wurde alles anders. Nach einem Stück gehen nach der Pause piepste das Natel. Sie waren also wach. Es war erst halb acht. Ich fragte mich, ob sie Mitleid bekommen hätten beim Blick durch das Fenster in den Morgen voller Schneefall. Später bestätigte mir dies Ruedi. Ich war froh, zurückgehen zu können.
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