CUSTOM CREATES LAW

permanente Installation an 74 Orten in Israel
und den besetzten Gebieten des Westjordanlandes

>CULTURESCAPES ISRAEL Swiss Season 2011

Installation mixed media
Inkjet auf Gips, Plan, Schlüsselbund,
Kaktus, Inkjetprint auf Karton, Lese- und Bilderbuch

>Mobile Territorien
visarte aargau,Kunstraum Baden 2012

CUSTOM CREATES LAW wurde im Oktober 2011 in Israel im Rahmen der Swiss Season des Kulturfestivals CULTURSCAPES 2011 realisiert. Die Gastgeber waren Lea Mauas und Diego Rotmann aka Sala-Manca, die als Kuratoren in Ein Kerem bei Jerusalem das «Mamuta at the Daniela Passal Art and Media Center» betreuen.

Eingeladen, ein Projekt im öffentlichen Raum zu entwickeln und zu realisieren, verbrachte Haus am Gern den Oktober 2011 im Ein Kerem. Auf ausgedehnten Reisen durch Israel und die besetzten Gebiete befestigte Haus am Gern an Zäunen, Gittern, Abschrankungen und Geländern Bügelschlösser, auf denen vorgängig der Text CUSTOM CREATES LAW eingraviert worden war. Im Ganzen wurden 74 Schlösser illegal befestigt (sie können nur mit Gewalt entfernt werden), die Schlüssel archiviert und die Orte fotografisch mit einigen Dutzend Fotografien festgehalten, die dann von einem Computerprogramm zu einem einzigen Bild zusammengefügt wurden.

Die Wahl der Orte erfolgte einerseits rein zufällig, andererseits nach Kriterien, welche die Recherchen der Geschichte(n) vor Ort lieferten. Denn in Israel überlagern sich selbst in der ödesten Wüste Ereignisse, welche sich vor Jahrzehnten, Jahrhunderten oder Jahrtausenden ereignet haben und heute als historische Beweise rechtliche, politische und religiöse Ansprüche rechtfertigen sollen; ganz zu schweigen von denjenigen Orten, die den verschiedenen Religionsgemeinschaften als «von Gott versprochen» und deshalb als nicht verhandelbar gelten.

Gewohnheitsrecht (Custom) gilt als eine Grundlage des Zivilrechts, das die zwischenmenschlichen Belange regelt. Da Gewohnheitsrecht nicht auf vernunftbasierten Entscheidungen beruht, kann es zum Gegenstand von Diskussion und Interpretation werden, vor allem dann, wenn sich wie in Israel jüdisches Recht mit islamischem Recht mit arabischem Recht mit militärischem Ausnahmerecht mit Zivilrecht durchdringen. Die fotografierten Landschaften und Städte Israels und der Westbank zeugen von dieser Tatsache.


Thanks to:

Effi Weiss & Amir Borenstein

Lea Mauas und Diego Rotmann aka Sala-Manca 

Claudia Spinelli vom Kunstraum Baden und den Kuratorinnen Andrina Jörg, Patrizia Keller, Sadhyo Niederberger von visarte aargau

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Die in Baden aufgebaute Installation verortet die 74 Schlösser in Israel und bettet sie in einer bühnenartigen Szenerie ein. Am Schlüsselbund hängen die 74 Originalschlüssel.
Der Feigenkaktus ist ein wichtiges Symbol in der Palästinensischen Kunst. Er  steht an palästinensischen Dorfeingängen als Grenzzeichen – und steht auch heute noch bei den Ruinen der palästinensischen Dörfer in Israel, die 1948 zerstört und ethnisch gesäubert wurden. Die vertriebenen palästinensischen Flüchtlinge und ihre Nachkommen bewahren den Hausschlüssel aus ihrem Heimatdorf auch heute noch als Beweis für ihr Rückkehrrecht auf. Dem Feigenkaktus in der Installation wurde die Goldene Regel Do as you would be done by! (Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst!) eingeritzt. Die Goldene Regel ist ein ethischer Grundsatz fast aller Religionen, insbesondere Judentum, Christentum und Islam. Sowohl die Texte als auch die Bilder im Lese- und Bilderbuch sind Collagen aus vielen Fragmenten, die – aufgenommen aus verschiedenen Blickwinkeln und von unterschiedlichen Standorten – zu einem subjektiven Ganzen zusammengefügt wurden. Jedes Bild zeigt eines der 74 Schlösser in situ. Den Bildern sind Texte beigestellt, die «illustrieren», wie komplex die einzelnen Orte bis heute Geschichte akkumuliert haben. Die Texte sind ausschliesslich Zitate aus dem Internet und genügen einer wissenschaftlichen Analyse in keiner Weise: Auslassungen, die durch die vorgegebene Textlänge vorgenommen werden mussten, werden nicht vermerkt, ebenso ist die Auswahl dem beschränkten Wissen (oder der Willkür) der Recherchierenden (Haus am Gern) unterworfen. Wo deutsche Texte vorhanden sind, wurden sie den Englischen vorgezogen (es hat sich gezeigt, dass gerade bei Wikipedia erstaunliche Unterschiede zwischen der deutschen und der englischen Version bestehen, wobei die deutschen Texte meist dürftiger informieren). Die Recherche soll vordergründig als Lesehilfe dienen, widerspiegelt aber gleichzeitig, wie tendenziös auch die neutralste Definition sein kann. Zwischen den Zeilen stehen unzählige beabsichtigte und unbeabsichtigte Unterschlagungen, welche die Meinungsbildung manipulieren. Man denke nur an die fehlende «Geschichte» von nomadischen Lebensgemeinschaften mit einer mündlichen Überlieferungskultur, denen nicht einmal die geringsten Ansprüche an einen würdigen Lebensraum zugestanden werden. Das umfangreiche und gleichzeitig unzulängliche Textmaterial illustriert zudem die kaum zu bewältigende Problematik der gesellschaftlichen und politischen Situation in Israel und den besetzten Gebieten. Die dichten Verstrickungen der vergangenen und aktuellen Ereignisse in Israel machen es uns schwer, über die verschiedenen Ansprüche zu urteilen – sowohl aus Distanz wie auch vor Ort.

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