F A L L A D A
DIE <URBAN LEGEND> SKULPTUR VON RUDOLF STEINER UND BARBARA MEYER CESTA

 
PRESSE
  
 


FALLADA: Ein Traktor bleibt - auch als Kunstobjekt - ein Traktor.
SEELÄNDER BOTE
17. JULI 2003
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Rapperswil BE

Ein Traktor und seine Liebhaber

 
tb. Gute zwei Wochen lang hat er als Teil des umstrittenen Kunstprojektes «Fallada» die Gemüter erregt. Nun ist er weg, der Traktor, und die Wiese im bernischen Rapperswil wieder wie zuvor. Oder doch nicht ganz?
 
Der Name Ruchti ist in der Gemeinde Rapperswil bei Schüpfen gewiss nicht selten. Und so ist es wohl nur dem Zufall zuzuschreiben, dass Alfred Ruchti am letzten Samstag von Bittwil (gehört zur Gemeinde Rapperswil) zu Hans Ruchti nach Rapperswil ging, nicht zu Besuch, verwandt sind sie ja nicht, doch um den Traktor zu holen, den gelbgrünen Bührer 475 Tractorspeed, Jahrgang 1978, 75 PS, der bei Hans Ruchti auf der Wiese stand schon seit mehr als zwei Wochen. Abgestellt von zwei Künstlern aus Biel zum Zwecke der Kunst. Ein totes Pferd, verkündeten Rudolf Steiner und Barbara Meyer Cesta, würden sie im Rahmen der Kunstausstellung «rapp – Kunst im ruralen Raum» aus einem Helikopter auf den Traktor abwerfen (SB vom 7. Juli). Die Reaktionen waren wie erwartet heftig. Dem Gemeindepräsidenten Fritz Ruchti (nicht verwandt mit Hans oder Alfred Ruchti) gingen die vielen Telefonanrufe und die unzähligen Mails so sehr an die Nieren, dass er seither für die Presse nicht mehr erreichbar ist. Dem Künstlerpaar selbst wurden per E-Mail diverse mentale Krankheiten attestiert und zur Heilung vorgeschlagen, sie sollen sich doch selber aus dem Helikopter werfen – ohne Fallschirm, wohlverstanden.
 
Nur um den Traktor kümmerte sich niemand, niemand ausser Alfred Ruchti aus Bittwil. Als Mitglied im Verein FALBE (Freunde alter Landmaschinen Sektion Bern) mochte er nicht zusehen, wie der Bührer 475 auf dem Feld von Hans Ruchti langsam vor die Hunde ging – Pferdfall hin oder her. Denn wenn sich die Wut der Pferdeliebhaber am einzigen realen Objekt des Projektes «Fallada» entladen würde, dann wäre der Traktor bald kaputt. Schon fehlte hinten ein Hydraulikarm, fehlte vorne die Luft in den Reifen, fiel eine Tür aus der Angel und war der Spiegel abgedreht. Wie lange, das fragten sich auch die Künstler, würde es wohl dauern, bis er eines Nachts lichterloh brennen würde, der grüngelbe Bührer 475. «Das hätte unseren finanziellen Ruin bedeutet», geben Rudolf Steiner und Barbara Meyer Cesta unumwunden zu. Denn der Traktor ist nur gemietet, nicht gekauft. Keine Versicherung hätte den Schaden bezahlt, weil ein Traktor – auch als Kunstobjekt - ein Traktor bleibt. Und nur ein eingelöster Traktor ist ein versicherter Traktor. Der Schaden, den ein Pferdekadaver nach 100 Metern freiem Fall auf einem Traktor hinterlassen würde, ist hier kein Thema. Schliesslich haben Steiner Meyer Cesta dem Besitzer des Traktors, Fritz Spahr, Landmaschinen in Lengnau, vertraglich ihr Ehrenwort gegeben, für alle Schäden aufzukommen. Auch im Fall von Totalschaden.
 
Doch dem kam Alfred Ruchti beherzt zuvor. Mit dem halbherzigen telefonischen Segen von Fritz Spahr und dem Kompressor von Hans Ruchti brachte er den Bührer 475 in Gang und aus der Pferdefallzone, aus der Nachtbubenstreichzone, aus der Diebeszone zu sich nach Hause in Sicherheit. Dort steht er nun, neben den Gartenzwergen. Die Batterie hat Alfred Ruchti aus dem Traktor entfernt, sie liegt hinten in seinem Auto, denn der Spahr, wenn er den Traktor abholen kommt, soll zuerst was springen lassen, sonst gibt er sie nicht raus, die Batterie. Im Dorf frägt man sich derweil, wo der Traktor denn sei. Geklaut, verkauft? Die Kunst sei nun vorbei, da ist man sich einig: kein Traktor, keine Pferd, keine Kunst, ganz einfach. Aber der Traktor, der fehlt. Nicht allen, aber einigen. «Das Feld war schöner mit Traktor», sagt Vreni Ruchti, die Frau von Hans Ruchti, übrigens nicht verwandt mit Alfred Ruchti.

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