Haus am Gern
Ein Unternehmen nach allen Regeln der Kunst

Vortrag anlässlich des Masterprogramms Kulturmanagement der Universität Basel in der Galerie XX, Zürich

Overheadprojektor, Tonband

Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich veranstaltet heute am Collegium Helveticum das Kunst und Wissenschaftsprojekt. Es ist die Frage nach dem Dialog zwischen diesen beiden Disziplinen gestellt. Es freute mich daher umsomehr zu hören, dass hier unten, gleich um die Ecke, noch ein anderer Dialog gesucht wird, der Dialog zwischen Kultur und Management, also zwischen zwei ebensfalls sehr verschiedenen .... Worten. Als ich heute morgen im Auditorium der ETH darüber nachdachte, was mich denn an dieser Dialetik am meisten interessiert, und mir partout nichts einfallen wollte, entschloss ich mich kurzerhand, aus jedem der beiden Binome das Beste herauszupicken. Es wurde mein Wunsch, Ihnen gewissermassen einen Vortrag à la carte zu servieren. Ich werde daher den Dialog zwischen Kunst und Management thematisieren. Der Titel meines Vortrags lautet. Rollen und Räume. Der Fall "ADA" und das Konzept Haus am Gern.

Ausgangspunkt ist eine Fallstudie, die es gestattet, typische Probleme im Rollenverhalten zwischen Künstlern und Managern hervorzuheben. Dieses Rollenverhalten wird von Haus am Gern neu definiert, wie ein Blick auf aktuelle und künftiger Projekte zeigen wird.

Das Exposé der Fallstudie "ADA" lautet wie folgt:
Eine unserer Clienten, ein bedeutender Hersteller von chemischen Düngemitteln, sowie von argro-pharmazeutischen Produkten, wollte sein Image in der schweizerischen Agragemeinde präziser konturieren und dies in unmittelbarer geografischer Nähe der politischen Entscheidungsträger. Zielgebiete sind also die wohlhabenden, ruralen Gemeinden rund um Bern. Im Rahmen dieser Strategie hat unsere Clientin eine grosszügig dotierte Kunstausstellung in einem wohlhabenden Bauerndorf mit mehreren grossen und intensiv bewirtschafteten Höfen organisiert. Die Ausstellung mit dem Titel "ADA" wurde im Auftrag unserer Clientin von einer jungen, freischaffenden Kuratorin ausgeschrieben und juriert. Ausgewählt wurden 14 regionale Kunstschaffende, darunter 2 mit internationaler Ausstrahlung. Der Preis der Jury in Höhe von 35'000 CHF sollte anlässlich der Finissage vergeben werden, und zwar an den oder die KünstlerIn, welche die Bedeutung des Ausstellungstitels "ADA" enträtseln konnte. Aber so weit kam es leider nicht.
Unter den Eingeladenen befand sich auch die Künstlergruppe "YRA", kurz Young Responsible Artists, welche in Canada und England mit provokativen Aktionen für Aufsehen gesorgt hatte. Anlässich der Vernissage von "ADA", hatte diese Gruppe angekündigt, folgende Aktion an einem nicht genauer genannten Tag während der Ausstellung durchzuführen:
Ein Traktor aus dem Dorf wird auf das grösste Feld gefahren und dort abgestellt. Ein Helikopter transportiert ein totes Pferd genau oberhalb des Traktors. Das tote Pferd wird aus einer Höhe von ca 150 m auf den Traktor fallengelassen

Wie Sie sich denken können, reagierte unsere Clientin mit Entsetzen und Empörung. Die junge, freischaffende Kuratorin, die YRA eingeladen hatte, wurde fristlos entlassen. Viele der Dorfbewohner taten ihre Verletzung und Betroffenheit kund. Aber es kamen auch auffällig starke Reaktionen von ausserhalb des etablierten Kunstpublikums
Der kantonale Veterinärdienst erstellte eine Verfügung, gegründet auf die Gesetzte zur Vermeidung von Seuchen.

Obwohl sich diese Personen intensiv, jede auf ihre Weise mit dem angekündigten Werk beschäftigt haben, dies sogar schriftlich, und obwohl unsere Clientin ausdrücklich gewünscht hat, mit der Ausstellung ADA ein möglichst breites Publikum anzusprechen, war die Stimmung auf einem Tiefstpunkt angelangt. Daran änderte auch unser Hinweis nichts, dass ja die agro-pharmazeutischen Produktlinie unserer Clientin zumindest die genannte Seuchengefahr reduzieren könnte. Wir wurden also aufgefordert nach Lösungen zu suchen.

Um uns möglichen Lösungen annähern zu können, ist ein methodisches und schrittweises Vorgehen notwendig. Warum ist die Zusammenarbeit zwischen Industrie, resp deren Management und der Kunst gescheitert ? Wenn grosse Projekte scheitern, dann liegt das oft an unterschiedlichen Erwartungen und Interessen der Beteiligten. Welches sind die Interessen von Managerinnen und Künstlern ?

Versetzten wir uns zunächst in die Rolle unserer Clientin, vertreten z.B durch eine Managerin. Das Modell der Managerin zeigt eine Struktur von Rollen, die durch unterschiedliche semantische Beziheungen miteinander verknüpft sind. Wichtig ist: das Modell definiert Rollen, nicht physikalische Personen. Dieser Ansatz hat den grossen Vorteil, das eine Person jederzeit durch eine andere ersetzt werden kann, ohne das deswegen die Unternehmenstrategie neu definiert werden muss.

Zum Beispiel besteht eine hierarchische Beziehungen zwischen der Managerin und ihrer Vorgesetzten. Die Beziehungen zwischen Kunden und Lieferanten sind paritätischer Natur, d.h ohne hierarchische Strukturierung. Junge und unerfahrene Managerinen machen oft den Fehler, zu glauben, dass Lieferanten im Gegensatz zu Kunden nachlässig oder gar hierarchisch zu behandeln seien. Uns sind Karrieren bekannt, die trotz schlechter Kunden äussert erfolgreich verlaufen sind, weil es der Managerin gelungen war, besonders gute Lieferanten zu akquirieren.
Eine weitere wichtige Rolle in diesem Modell ist die Qualitätskontrolle, in grossen Unternehmen auch Business Control genannt. Die Beziehung der Managerin mit dieser Rolle ist funktionaler Natur, d.h. die Leiterin der Qualitätssicherung ist nicht hierarchisch vorgesetzt, aber ihre Anweisungen sind verpflichtend.
Für unsere Verständnis des Falls ADA ist es wichtig zu sehen, dass die Managerin in dieses Korsett aus Beziehungen und Rollen eingebunden ist, in dem sie jederzeit durch eine andere Managerin ausgewechselt werden kann. Ihr Handlungsspielraum ist begrenzt. Die erfahrene und gewiefte Managerin weis aber dieses Korsett für Ihre Ziele einzusetzten. Sie tut das, indem sie die "Wir"-Form kultiviert und optimiert. Sie wird unliebsame Entscheidungen, wie zum Bsp. die fristlose Entlassung der jungen, freischaffenden Kuratorin im Fall ADA, immer auf eine Qualitätsrichtlinie zurückführen. Sie wird von der Unternehmensstrategie sprechen und je lauter das "Wir" zu hören ist, desto mehr ist das "Ich" gemeint, jedesmal wenn von Unternehmensstrategie die Rede ist, können wir sicher sein, das ein persönliches Begehren der Managerin erfüllt werden muss.

In diesem Modell ist es unsere Aufgabe, der Managerin geeignete Konzepte und Kunstprodukte zuzuspielen, die es ihr gestatten, laut und deutlich "Wir" zu sagen.

Um jetzt auch die Interessen des Künstlers besser verstehen zu können, wähle ich wieder ein geeignetes Modell:

Das Modell des Künstlers ist anders struktuiert als dasjenige der Managerin. Es besteht nicht aus Rollen und Beziehugen, sondern aus Zuständen und Transitionen, also möglichen Übergängen zwischen diesen Zuständen. Es handelt sich um ein Zustandsdiagram. In der Regel kann nur ein Zustand gleichzeitig besetzt werden. Die wichtigsten Zustände sind die Selbstkontrolle, die Distanz, welche durch den Umgang mit dem geeigneten Material erreicht wird, sowie ein weiterer Zusand, den wir Unbewussheit nennnen. Die einschlägige Fachliteratur spricht meistens von "Unterbewusssein", was im Kontext der Kunst aber genauer "Unbewusssein" heissen müsste. Um Verwechslungen mit ontologischen Termini zu vermeiden, verwenden wir den Begriff "Unbewusstheit". An dieser Stelle kommt es bei jungen und unerfahrenen Künstlern oft zu Verwechslungen. Sie meinen, sich im Zustand der Unbewusstheit zu befinden in dem sie hellwach behaupten, spielerisch oder gar lustvoll zu agieren. Dabei tun sie nichts anders, als die Möglichkeit des Spielens zu kommentieren und befinden sich im Zustand der reinen Selbstkontrolle. Dem gegenüber steht eine ganze Generation von erfahrenen und mittlerweile auch sehr alten Künstlern, die den Zustand der Selbstkontrolle zum Arbeitsthema erklärt haben und scheinbar naiv behaupteten, dass sie ausschliesslich aus rationalen Gründen handeln. Sie haben dann so emsig selbst gestellte Fleissaufgaben verrichtet, dass man zunächst geglaubt hat, dass sich diese Künstler in Wirklichkeit im Zustand der Unbewussheit befänden, aber ohne es zu wollen oder zu wissen. Und das ist ja dann genau reine Obzession.
Es ist zeitlich nicht möglich, alle Transitionen in diesem Modell zu erläutern. Diese, durch die strichpunktierte Linie modellierte "sowohl-als-auch" Transition ist aber wichtig, wenn wir im nächsten Schritt das Konzept von Haus am Gern behandeln. In der Entwicklung der Kunst und Ästhetik wurde dieses Konstrukt mit den drei Beziehungsabgängen mit wechselnden Begriffen versehen. Im Laufe der europäischen Aufklärung hat sich der Begriff "Genie" etabliert, in der zweiten Hälfte des 20. Jhd der hier verwendete, aktuelle Begriff "K&G Haken". Es handelt sich um ein bekanntes Dilemma, welches hier kurz in Erinnerung gerufen werden soll. Wie sie aus ihren Vorlesungen wissen, hat sich nach dem zweiten Weltkrieg für einen kurzen Zeitraum, vor allem in der kleinen Schweiz, eine bis dahin nie vorgekommene Situation am Kunstmarkt herausgebildet. Der Markt wurde vollständig von einer kleinen Gruppe von Galerien beherrscht, welche ihrerseits von einer einzigen Person, dem obersten Galeristen vertreten wurde. Kein Künstler konnte ohne Einladung durch den obersten Galeristen ausstellen und es war bekannt, das nur obzessive Künstler ausstellen dürfen, welche bereit wären ihre Leben für Ihre Kunst zu geben. In dieser Situation traf es sich, das der Künstler K. den obersten Galeristen G persönlich kannte und ihn fragen wolle, ob er ausstellen dürfe. Da er sich seiner Sache aber nicht sicher war, entschloss er sich, indirekt für einen Kollegen anzufragen. K ging also zu G und fragte: G, ich kenne da einen Künstler B, der wirklich obzsessiv arbeitet und jederzeit bereit wäre, sein Leben für seine Kunst zu opfern. Würdest du einen Künstler wie B ausstellen ? G antwortete: Ja, so einen Künstler würde ich unbedingt ausstellen. Darauf fragte K weiter: Also wenn jetzt B zu dir käme und dich fragen würde, ob er bei dir ausstellen dürfe, dann würdest du seine Frage bejahen ? Nein, antwortet G. , ich würde ablehnen. Denn ein Künstler der fragt, ob er ausstellen darf, ist daran interessiert, seine Werke zu verkaufen, um sein Existenz zu sichern. Jemand der sich um seine Existenz sorgt, ist aber nicht obzessiv, denn er hat ja noch Kontrolle über sich selbst. Bei mir dürfen aber nur obzessive Künstler ausstellen. Das ist der K&G Haken. Daruf stiess K einen leisen Pfiff der Bewunderung aus: Der hat aber in sich , dieser Haken. Und G lächelte zustimmend: Ja, einen besseren findest du nicht.

Natürlich haben Künstler Strategien entwickelt, um sich von diesem Haken zu befreien. Eine bewährte Strategie ist die "Ich"-Strategie. Der Künstler kultiviert und optimiert Formulierungen wie "Ich arbeite an " oder "Ich interessiere mich nicht für ", Der K&G Haken kann also gar nicht erst greifen. Und je lauter das "Ich" des Künstlers zu hören ist, desto sicher wissen wir, dass ihm der Haken im Naken sitzt und ihn an seinen beiden "Wirs" zu packen versucht.
In diesem Modell ist es unsere Aufgabe, dem Künstler Managementkonzepte zuzuspielen, die es ihm gestatten laut und deutlich "Ich" zu sagen, um seinen "Wir" entgehen zu können.

Die Modellierung der traditionellen Rollen von Managerin und Künstler zeigt die Grenzen dieser etablierten Gesellschaftsskripte. Das Private und Privative wird in diesen Rollenmodellen virulent und erschwert ein professionelles Arbeiten. Projekte wie der Fall "ADA" sind von vorne herein zum Scheitern verurteilt.Aber es gibt Konzepte, die den festgefahrenen Rollenmodell eine wirksame Alternative gegenüberstellen. Damit kommen wir zum Thema für den restlichen Teil des Vormittags: Haus am Gern - ein Unternehmen nach allen Regeln der Kunst.
Ich könnte jetzt direkt dazu übergehen,das Konzept von Haus am Gern zu präsentieren, aber mein Vortrag würde darunter leiden. Es würde etwas fehlen, es wäre zu glatt zu folgerichtig. Was würde fehlen. Das was fehlen würde, das wäre die Lücke. Dieser Lücke zuliebe hat die angelsächsige Vortragskultur ein probates Mittel parat:

Der Witz im 2. drittel des Vortrags. Dieser Witz kommt immer, er ist vorhersehbar und doch unerwartet, sein Inhalt reicht von sehr schlecht bis anzüglich. In der Schweiz ist es mit Witzen aber immer etwas schwierig, deswegen möchte ich die nötige Lücke durch ein kleines Experiment gestalten, welches auch gleich das Gesagte nochmal zusammenfasst.
Unser Ziel ist es ja, die Kunst so zu managen, dass sie Ihre Öffentlichkeit erreicht, ohne deswegen vom Markt korrumpiert zu werden. Nehmen wir an, diese rote Folie sei die Kunst, und die blaue Folie sei das Management, das den Markt bestimmt. Wenn wir die rote Kunstfolie mit der blauen Managementfolie filtern, dann zeigt uns die resultierende Farbe, wie stark die Kunst vom Markt verfremdet wurde. Ich lege also die blaue Folie auf die rote Folie und das Resultat ist ... ach ... Ja, wir sehen, die Überlagerung von Kunst und Management führt zu diesem etwas schmutzigen, gräulichen, farblosen Dunkelgrün. Und dieses Dunkelgrün, das ist eben das wir gemeinhin mit Kultur bezeichnen.

Wir haben also die falsche Managementfarbe gewählt. Nehmen wir stattdessen zum Beispiel dieses Gelb und überlagern es dem Rot. Wir sehen, dass die rote Kunstfarbe nur sehr wenig veändert wird und das zeigt uns, das Gelb eine gute Managementfarbe wäre.

Ich komme jetzt zurück zu meinem Vortrag, um das Konzept von Haus am Gern zu erläutern.

Dieses Schema ist gewissermassen die methodische Überlagerung der beiden gezeigten Modelle, ähnlich wie die Überlagerung der Farbfolien, wenn auch sehr viel komplexer.

Im Gegensatz zum Künstler-. und Managerinmodell ist das Haus am Gern Modell kein semantisches Modell, sondern ein Syntaktisches. Das heisst, die Linien und Formen stehen nicht für ein Konzept, sondern sie sind Linien und Formen. Sehen wir uns zunächst einige dieser Formen genauer an. Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner sind die Gründer von Haus am Gern und leiten das Unternehmen seit mittlerweile über 10 Jahren. Hier oben rechts, entsteht aus der Überlagerung von Qualitätskontrolle und Distanz die klassische Funktion des Art Process Inspectors. Diese Fragezeichen stehen für verschiedene Lücken, die notwendig sind, um überhaupt arbeiten zu können. Der Verlag von Haus am Gern heisst Edition Haus am Gern. Soeben erschienen ist anlässlich der Buch-Basel dieses dreiteilige Werk "Nicht bei Trost - a never ending Haiku , des Berner Autors Franz Dodel. Das Buch wurde während der Buch-Basel von 12 Schauspielern des Basler Stadttheaters abwechselnd 12 Stunden lang gelesen.Die NZZ berichtete ausführlich über den Never ending Haiku von Franz Dodel. Hier nur ein kleiner Ausschnitt:

am Rand der Bahn
wo die Pferde rennen und
Affen sich tummeln
in den hellwachen Büschen
im rauschenden Weiss
ist das Schreiben ein Werkzeug
Abstand zu sichern
zwischen Frage und Antwort
es gibt also Zeit
zum Scheitern um die Räder
schnell zu verschenken
des Wagens der uns morgen
in Sicherheit bringt
sind es stets die anderen
die sterben? das steht
auf dem Grabstein von Duchamp
der tot ist und wie
recht hat er denn wer liest ist
schon der andere
und unerreichbar wie die Nacht
der Eintagsfliege
aber: welche Übersicht
schon beim ersten Flug
während du und ich Gewicht
anlegen Anker
werfen stürzen üben und
abbiegen schliesslich
aus dem schweren Stillstand um
doch noch Geschichten
kurze nur zu werden spät
abends leise selbst
erzählt am knappen Schlafrand
nach wie vor kann ich
mich dem Gefühl nicht nähern
das stets etwas sieht
wo bestimmt nichts ist ausser
diesem blinden Fleck
den ich in allen Lagen
genau beschreibe
was aber schlecht gelingt weil
ich der Fleck selbst bin
wenden ist sinnlos der Griff
des Blicks vergeblich
doch schieben immer wieder
kleine Einheiten
sich ins Blickfeld und es ist
die Aufmerksamkeit
nach der sie heischen die uns
packt und heiter stimmt
man sieht ein Wegstück vor sich
und fasst den Entschluss
zu gehen – und dann geht man
niemand nichts zwingt uns
zu unterscheiden etwa
die roten Muscheln
die welken Buschkleeblüten
zwischen den Wellenam Strand von Iro na hama
sich gänzlich zu erschöpfen ...
Verlust zu üben
bis sich die Dinge wieder
selbst verhalten im
Ansturm der Verausgabung
an deren Glutrand
endlich auch die Angst abbricht
damit wir neu uns
ordnen ins Alltägliche
und seine Sorgen
wo ein Schuh uns drückt oder
der Kopf bei Südwind
der weht lau hinab ins Tal
bläht sich auf zum Sturm

Mit seiner Idee begibt sich Franz Dodel in illustre Gesellschaft. Doch auch wenn Formen wie Renga, Renshi oder Renku dem Autor Dodel als Vorbilder dienen mögen: Sein Never-ending Haikuzielt durchaus in eine eigene Richtung. In seinem mittlerweile auf 5000 Verse angewachsenen Langtext, an dem er nach Möglichkeit täglich arbeitet, begnügt er sich mit einigen wenigen formalen Vorgaben. Dodel spricht sich etwa gegen syntaktische Verstümmelungen, dafür umso stärker für ironische Volten aus und verpflichtet das Gedicht zu regelmässigen Reverenzen an Prousts <A la recherche du temps perdu>. Was in diesem locker geknüpften Korsett ensteht, ist ein weitläufiges Mäandern zwischen Sein und Werden, Erinnerung und Sprache, Meditation und Gedanken über das Ich.

Nicht bei Trost - a never ending Haiku von Franz Dode, 3-teilig mit ausführlichen Anmerkungen und 62 Zeichnungen, erschienen 2004 bei Edition Haus am Gern.

Aber diese Formen lassen sich auch frei kombinieren, wie in einigen Partituren von Karlheinz Stockhausen. Nehmen wir zum Beispiel den Rand und die Aktionen. Dann denken wir an das Projekt "Arteplage". Für dieses Projekt wurde der Stellvertreter von Haus am Gern, der Zürcher Künstler San Keller, von Haus am Gern beauftragt, am 15. Mai 2001 eine Arteplage im Bieler auf dem Expogelände fertigzustellen. Der 15.5. 2001 war ja das geplante Eröffnungsdatum für die Expo 02. Hier ein Blick auf das Ergebnis.

Im Vordergrund sehen wir Rudolf Steiner, der auf der soeben fertiggestellten Artplage von Haus am Gern eine Ansprache hält, anlässlich des 10-jährigen Jubileums der Young Responsible Artits, kurz YRA. Im Hintergrund rechts sehen wir, das die Vorbereitungen für die Arteplage Expo 01 auch schon begonnen haben.

Das Motto von Haus am Gern lautet: Wie schön wäre dieses Haus auf den Strassen. Es stellt sich die Frage, was ist den dieses Haus in Haus am Gern. Genau diese Frage wird uns immer wieder gestellt, was ist den Haus am Gern. Das interessante an dieser Frage ist, das sie irrelevant ist. Die richtige Frage lautet:

Wenn ich an Haus am Gern denke, an was denke ich sonst noch.?

Aber auch dieses Denken hat seinen Preis.

Deswegen hat Haus am Gern neulich 123 Rechnungen an kulturelle Institutionen und Persönlichkeiten verschickt. Museen, Galerien und Kritiker erhielten Rechnungen dafür, das Haus am Gern an sie gedacht hatte. Der Tarif für das Denken ist auf 120 CHF pro Stunde festgelegt, die meisten Rechnungen betrugen 20 bis 30 CHF.

Für nicht fristgerecht bezahlte Rechnungen wurden Mahnungen verschickt. Der Art Process Inspektor von Haus am Gern stand für Fragen und Reklamationen zur Verfügung. Beispielsweise erhielt ich eine telephonische Beschwerde von einem kleineren Museum, welches die Rechnung für das Denken nicht bezahlt hatte. Haus am Gern solle aufhören Mahnungen zu verschicken, weil die Leute auf der Post erzählen, dass das Museum seine Rechnungen nicht bezahle und das gäbe Gerede in der Stadt. Durch den Erlös aus dem Denken konnte Haus am Gern dann einen nammhaften Kunstkritiker dafür bezahlen, dass er in einer ebenso nammhaften Kunstzeitschrift einen Verriss über Haus am Gern veröffentlicht. Durch diesen Verriss ist die Arbeit Denken dann so bekannt geworden, dass Haus am Gern in einer weiteren Ausgabe derselben Kunstzeitschrift die Arbeit Denken zum Verkauf ausgeschrieben hat. Mit dem Erlös aus dem Ankauf konnten dann wieder weitere Projekte finanziert werden.

Der eigentliche Kunstgriff von Haus am Gern besteht darin, das uns dieses Konzept von den festgeschriebenen, halbprivaten Rollen der Managerin und des Künstlers befreit. Die Figur der Managerin und die des Künstlers, diese armen, auf Aufmerksamkeit angewiesenen Erdenwürmchen, werden ersetzt durch einen Raum, ein Haus. Ein Haus, das weder obszesiv ist, noch sonst etwas ist, es ist einfach da wo es gerade ist, zur Zeit im ehemaligen Atelier des Malers Paul Robert in Biel, vielleicht bald schon woanders. Ein Haus ist ein Gefäss, kein Haken, ein Haus ist ein "Es", kein "Ich" und "Wir"

Die Kommunikationsprobleme zwischen Künstler und Managerin, welche wir mit der Fallstudie "ADA" sichtbar gemacht haben, können in einem offenen Konzept wie diesen gar nicht erst entstehen.
Denn jedesmal wenn von der Ausstellung ADA und dem Herabstürzen des toten Pferdes die Rede wäre, würde man auch noch an etwas anderes denken, an ein Bild oder eine Legende, vielleicht sogar an das Märchen, in dem der abgeschlagenene Pferdekopf der Königstochter die Wahrheit verrät.

Diese bildstiftende Qualtität von Haus am Gern haben auch einige unserer Hauptsponsoren erkannt, die innerhalb ihrer Marketingabteilungen Intensivkurse für Kulturmanagement anbieten wollen, um den hausinternen Nachwuchsbedarf zu decken. Haus am Gern wurde deshalb beauftragt, für Ausbildungszwecke unserer Sponsoren, den Fall "ADA" als Studienfilm zu produzieren. Zur Zeit arbeiten meine Studios zusammen mit Haus am Gern an der Vertonung. Produziert wird der Film auf einem verlassenen Bauernhof im Berner Oberland, welchen Haus am Gern, durch glückliche Umstände erwerben konnte. Dieser Ort, der jetzt Hof am Gern heisst, eignet sich besonders gut für diese Produktion, und ich habe die Freude, Ihnen hier zum Abschluss einige Sequenzen aus Probemitschnitten zu demonstrieren. Damit kommen wir auch zum letzten Teil meines Vortrags, dem Ausblick auf ein künftige Projekte von Haus am Gern:

Ein Trainingsvideo für die firmeninterne Kulturmanagerausbildung: "Der Fall ADA". Hier einige Takes von unserem Filmset in Hof am Gern.

Diese letzte Frage, was denn die Kunst ist, und was denn ein Zweck ist, diese Fragen oder auch andere können Sie jetzt, wenn Sie möchten, direkt an die Direktion von Haus am Gern richten:
Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner, moderiert durch Beat Huegi von der Universität Basel.

der HAKEN    >>
top          back