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soar
krautofobie, ambient low-fi-acker, analoge seelenbalsam akustik elektronika oder slowspeed psych gelati-blitz-papp-pop könnte das man nennen, den soarismus, des einmannorchesters christian aebi.
initialzündung zum soarprojekt mag zeit und raum gewesen sein, herbst 1994.
ein lauschiges tape eröffnet die geschichte, low-fi songs gehalten in klassischer gitarren-/bass-/schlagzeug-manier, durchtüncht mit mariniertem orgelkompost, gepaart mit einer balsamiert-verraucht-verhauchten vokalstimme, die wie gepresst verhallt aus einem mülleimer klingt, unterlegt mit einem trockeneisbasspompsirup.
5 langrillen, 25 tapes und ein dutzend auftritte durchkreuzen die folgenden zeit. die arbeitsweise, wo, wie, wann und womit das material eingespielt, aufgenommen und verarbeitet wird, ist immer ähnlich und basiert auf 4spur technik, könnte da und dort hightechmidifreaks oder neonlicht-airfreshconditionedstudio mobs das kalte grausen lehren. aber soar macht das mit absicht, denn das ist auch programm.
bepackt mit altem 4spurgerät, verbrauchtem materialpool alias halbakustischem sixty gitarren-/ bassgut, verbasteltem kirmesschlagwerk und vermottetem brockenhausbilligorgelsurium und farbigem kinderspielwaren blas-und drück instrumentarium, gehts in die erste runde von soar:
die erste langrille entsteht im sommer 1995, doppelvinyl, gatefold, schlicht genannt „soar". eingespielt, aufgenommen, arrangiert und bearbeitet in einem estrichgeschoss und einer wohnung. die verschiedenen orte, wo gerade georgelt oder genörgelt wird ist jeweils teil vom programm.
es entstehen 24 lieblich verspielt dahergehauchte singersongwriter kleinode, gepaart mit klang- und rhythmusschwaden, die durch den analogen effektwolf gepresst die soarische klingklang landschaft ergiebig repräsentiert.
gerade ein opener wie sliver, ein aus dem nichts auftauchender flimmer, glitzrig reversed, dünn, dann flach polternd, markiert eine von vielen instrumentalen zwischenstationen des albums.
es folgen durchnässte krautfolkpsychadelika und geloopte klangpartikel popsongs mit nebligen vokalchören versehen, dazwischen schrummelgitarren, blubbernde flanger wurlitzer pianos, wallende harmonium schwaden, endlos zerschmelzende refrains, dabei zwei king crimson klassiker erster stunde und zu guter letzt vertrackte glockenturmmechanikgeläut und das 15 minütige shallow water, eine kirchenorgelpfeifodyssey, gepitched und im hall gedubbed, geschreddert, an-und abschwellend, als wären wir mitten drin in einem zeitgelupten stephen king horror thriller.
ergänzt wird das debut durch eine doppel cd, die nachhaltig unter anderem 22 instrumentale, flirrende, ineinandergeschachtelte themes daherfliessen lässt, spacige landschaftstonbilder, eine leuchtend farbige reise durch raum und zeit.
die inzwischen stattfindenden konzerte gemeinsam mit rudi steiner in galerien, clubs und hallen sind dauernd sich wandelnde und mutierende performances, klangbild-/bildklang-events, installative film-und brockenhaus-instrumentariums-anlässe, experimentell, unvorhergesehen, oft improvisiert, für tontechniker oft ein horrorszenario, zwei dilettanten im kabelsalat, präpariertes highvoltage orgelwerk mit verstärktem kinderspielzeug, elektrisierenden videomonitoren, wühlend bastelnd.
die zweite eigentliche langrille ist die erste einer art trilogie, botchibonsi genannt und wie alle folgenden platten nur limitiert auf vinyl gepresst, alle rein instrumental. kaum mit perkussion versetzt, zirpen moog und orgelschwaden, gespickt mit wahwah-gitarren und den typischen bundlosschleifbassläufen anschwellend und ins unendliche auslaufend in eine warme sommernacht. mikrozeitlupen stagediving, sozusagen, hinein in die massen.
botchibonsi führt da fort, wo das debut seine arrangierten instrumental-kleinode einbaute.
das arrangieren, klangpartien mithilfe analoger effekte zu einem ganzen zusammenzufügen, weg-und hinzuzufaden, zu bearbeiten also, bestimmt die einheit von botchibonsi.
oft sind einzelne instrumente kaum herauszuhören, werden erst im kontext erkennbar, verschachtelt, ineinander verzwirnt, verspult.
einzig vox sticht als radiogener popsong heraus, treibend leichtes schlagzeug, schleifender bass, dazu moogzirpen und eine süsse easy-wurlitzer schmalz-melodie.
die rohaufnahmen entstanden in einem hohen atelierraum eines fabrikgeländes im sommer 1996, aber auch draussen vor der tür, wie etwa global, ein stück auf alten fässern vertont.
botchibonsi rattert wie ein ruhiger güterzug durch die staubige prärie, popig, ein analog akustik elektronika album, das die nächsten alben prägt.
in der zwischenzeit entstehen unzählige tapes, basteleien, versuche, songs, laborarbeiten.
die dritte langrille, lumumby, eingespielt in drei tagen, an ostern 1997, gemeinsam mit rudi steiner im haus am gern, in derer musikstube, einem weiteren musselbrain-ort, kaum 20 quadratmeter klein, vollgestopft mit urzeitinstrumentarium, tausenden von kabeln, gleichend einem spaghettiwestern-saloon-gambling-hinterzimmer. so auch die musik.
schon der opener, salad, sagt schon alles. fehlt nur noch „gemischt". der rummelrammelplatz lässt grüssen, krautrock pur. verstimmte gitarren, rumpelnde bässe, schlagwerk, spielwaren, allerlei tastatur, präparierte orgeln klingen, als hätten pirañhas vegetarische ferien gehabt.
wie etwa im stück knut, wo man am schluss das gefühl haben muss, dass 12 tausend räder über den instrumentenpark donnern würden. nebst dem kirmestumult streifen aber auch seidenfeine tracks am wolkenlosen himmel vorbei, leichthüssig schwebend.
so ist aus lumumby eine charakterplatte geworden, die zwischen grotesk verspieltem und feinsäuberlich arrangiertem hin-und herwackelt.
so tackelt zum beispiel otwock mit seinen monotonen orgelbeats filigran daher, ohne bruch, bedeckt mit entfernten häulgitarren und minimalem eintonfingerantipmechaniksolo versehen.
aber auch das harmophon, das ultimative kleinörgelchen-duett, stolpert so unbeholfen hinkend schräg daher, dass es schon als hörkulthirnimplatat gehandelt werden könnte.
durch das arrangieren, der wie immer letzten schiene der eingespielten tracks, ergibt sich ein homogenes, blumiges, frisches album, das den soarismus voll in sich trägt.
so vollgestopft lumumby auch sein mag, leichtfüssig und unbeschwert kommt die dritte alleweil daher.
ebenso die letzte langrille dieser trilogie, klunker.
angeknüpft an botchibonsi, spielt aebi wiederum ein analog-akustik-elektronika album ein, diesmal jedoch erkennbarer in seiner struktur.
entfernste instrumentalpoptracks, getragen von mehrfach gedubbed-gepitchtem schlagwerk, rumpelnd, als würden tausen wild gewordene affen auf mistkübeln rumhauen.
feine moogsounds umhüllen und umlallen melodiös den träger, schleif- und splinkerbässe wallen und klinkern sich dazwischen.
die tracks sind fliessend weich, schichtweise abgebaut bis zum fast nichts, dann wieder ergänzt und aufgebaut, abgerundet, so etwa die sommerklatsche, plätschernd wie ein ausgehender sommerregen.
dazwischen klirren nur kurze gitarrensplittergewitter improvisierend daher, und der ahnungslose grottenolm, ein track ausschliesslich mit kippschalter, bass und analogen delays aufgenommen, führt in eine quakende tropfsteinhöhlenwelt.
auf laub wird mit küchengerät und einem rückenden stuhl experimentiert, imme integriert in einem popesken songschema.
die beiden letzten tracks beider seiten von klunker, to jane borki und die lustigen sedruner, schweben einem lauschigen sonnenuntergang entgegen, schräg moogesk-melodiöse orgel popschmiere, ins unendliche abdriftend, schicht um schicht, ohne kitschig zu wirken, relaxed, schwerelos.
klunker, aufgenommen im juni 1999 in aebis dachstockatelier, ist ein rhythmisches, fast schon bombast-funkiges album, vollgestopft mit diversester perkussionsinvention, disharmonisch sich ergänzenden bassläufen, 70-er lollypop-moog-melodien und schmelzenden orgelbrettohrwürmchen. klunker lebt eindeutiger weniger von analoger nachbearbeitung als die vorgänger, ist aber in seiner wirkung vollständig soarisch.
eigentlich ist das nachfolgewerk von klunker da auch anzusiedeln.
nippledips, so der titel der bislang letzten langrille von
soar, ist aber auf 10 inch erschienen und unterscheidet sich von der trilogie nur insofern, als die aufnahmen nach immer demselben muster abliefen: zuerst das schlagwerk, mit besen gespielt, gepitched, dann moogschwaden zigfach übereinandergelegt, mit bassstreifen unterlegt, darüber oft moogmelodien oder wurlitzersounds.
nippledips ist ein kurzes album mit 13 tracks, alle auf knappe 2 minuten warmgehalten, eine durchgezechte barbecueparty mit allerlei häppchen und dips eben.
der opener lukulust startet die platte mit sommerlichem moogpiepsen, ein treibender beat unterlegt den track, dazu ein weicher basslauf, ebenso, schwaden von weitentfernten moogs, darübergelegt beissend sengendes solo variierend.
nippledips ist gespickt mit easybeattracks, die aber nicht in den muzakfahrstuhlschacht abstürzen, es sind „schichtentracks", die als ganzes daherstrahlen, häufig mit popeskem melodiegut versehen, so wie etwa vox aus botchibonsi.
songs wie tiefenrausch und choco mocs leben durch zusätzliche rhythmen durch ihre analog gedelayeten oktavwurlitzerpianos, psychadelisch düster, und dennoch harmonisch frisch.
klingelring beendet wie die lustigen sedruner auf klunker die langrille, ruhig mit plätscherndem wurlitzer, sengenden moogs und glucksenden, weit entfernet trällernden und sich immer wiederholenden klangpartikel.
nippledips ist eine taufrische sommerplatte, grilltauglich und badefreundlich.
hinein-und abtauchen heissts.

soar /sommer 2000.
mailto:soar