Ideologie (grch. «die Lehre von den Ideen») in Frankreich eine an Condillac anknüpfende philos. Richtung, «welche durch eine genaue und systematische Kenntnis der phiysiologischen und psychischen Welt praktische Regeln für Erziehung, Ethik und Politik festzustellen sucht». Destutt de Tracy, Cabanis u.a. Ideologen übten von 1792-1802 einen bedeutenden politischen Einfluss aus. - Heute wird der Begriff I. fast nur noch als Bez. für eine unechte, aus materiellem, auch politischem Interesse nur vorgestäuschte Weltanschauung benutzt, nachdem der Marxismus gelehrt hatte:
alle Ideen, Religionen, Weltanschauungen, Einrichtungen, Rechtsverhältnisse usw. sind nur Ausdruck materieller Verhältnisse und werden von der Bourgeoisie fälschlich bzw. in betrügerischer Absicht in den Rang geistiger Wesenheiten (Ideen) erhoben, während es in Wirklichkeit derartige Ideen nicht gibt, es sich also um blosse I.n. (unzulässige Ideïrungen wirtschaftlicher Gegebenheiten), einen «ideologischen Ueberbau» über die Wirklichkeit handelt. Nach Th. Geiger liegt I. überall vor, wo (subjektive, es gibt nur subjektive) Werturteile in der objektiven Form von «Ist-Aussagen» ausgesprochen werden; alle metaphysischen und theolog. Begriffe, in denen ein metaphys. oder religiöses Urgefühl in die (inadäquate) Form einer Erkenntnisaussage gekleidet wird, sind von vornherein «ideologisch». auch Lukàcs. Der versteckte ideologische Charakter der meisten religiösen und politischen Weltanschauungen, die sich einen wissenschaftlichen Anstrich geben und dadurch «erwiesenermassen» Anspruch auf Wahrheit und Alleingültigkeit erheben, hat im modernen kritischen Denken die Ideologiekritik auf den Plan gerufen, die sich zur Ueberprüfung selbst von wissenschaftlichen Theorien als notwendig erweist.
(aus. Kröner: Philosophisches Wörterbuch)
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