Bieler Tagblatt vom 02.11.2002, Ressort Kultur

Kunsthalle Bern: Rudolf Steiner und Barbara Meyer Cesta

Wenn der Fuchs mit der Madonna...

Das Bieler Künstlerpaar Rudolf Steiner und Barbara Meyer Cesta haben gestern
Abend in der Kunsthalle Bern ihre bisher bedeutendste Ausstellung eröffnet. Unter
dem geheimnisvollen Titel: NJAHBIC.

Annelise Zwez

Die Ausstellung hat nicht die subversive Leichtigkeit von «Musée en grève» im Foyer des
Centre PasquArt im Frühjahr 2002. Und nicht die Frechheit, am 15. Mai 2001 auf einer
gebastelten Arteplage die Expo. 01 zu eröffnen (das BT berichtete). Die Ehre in der
Kunsthalle Bern ausstellen zu dürfen, hat die Atelier Robert-Stipendiaten Rudolf Steiner
und Barbara Meyer Cesta (rsbmc) zu einem assoziativ überladenen Gesamtkunstwerk
verleitet.
Einem Schachspiel gleich besetzen Objekte wie ein ausgestopfter Fuchs mit goldener
Nase, ein isabellefarbenes Camouflage-Pferd, ein Hundehalsband mit der Inschrift «Je
suis au roi». Positionen im offenen Denk-Raum. Rund 800 Tatoos vielfältigster
Provenienz zeigen unendliche Möglichkeiten der Vernetzung. Sinnvolle und absurde.
Auch der Ausstellungskatalog fügt sich ins künstlerische Allover, indem er Textfragmente
so kombiniert, dass Sinn und Unsinn sich die Hand geben. Immerhin erfährt man in
diesem Künstlerheft, was der Hip-Hop-Titel NJAHBIC bedeutet. Nämlich: Never judge a
horse by its color. Der Satz, der in etwa meint, man solle nichts auf Anhieb glauben, ist
ursprünglich der Anfang eines Wildwest-Liedes. Die Buchstaben kehren in der
Ausstellung in einem Lampenobjekt wieder, wie es über einer Wildwest-Bar hängen
könnte. Eine zusammenhängende Geschichte gibt es jedoch nicht.

Tausend Geschichten
Jedes Objekt, jedes Bild, jedes Video hat ein eigenes Magnetfeld und doch gibt es
Verbindungen. Diese zu entschlüsseln ist nicht einfach. Dedektivisch mögen Details
gelingen. So besagt zum Beispiel eines der Tatoos, dass die Hunde von Louis XIV alle
Halsbänder getragen hätten mit der Aufschrift «Je suis au roi», was rsbmc veranlasste,
zwei solche Halsbänder machen zu lassen, eines freilich mit dem veränderten Satz: «Je
jouisse hors loi».

Macht und Hierarchie
Zusammengenommen fällt die Bedeutung auf, welche dem Tier zukommt, dann eine
überraschende Vergangenheits-Dimension und ein Wiederkehren von Themen rund um
Macht und Hierarchie. Monatelang haben die beiden pingpongartig ausgetauscht, was
sie in Büchern aller Art und im World Wide Web irritierte und faszinierte. Und aus dem
Konglomerat entstand NJAHBIC. Das Pferd, es ist tatsächlich da. In Kunstoff gegossen
und im Andenken an die Erzherzogin Isabelle - das kann man im Katalog nachlesen - ist
es ein isabellefarbenes. Diese Farbe gilt bei Pferden nämlich als Zeichen besonderer
Militärtauglichkeit, und das ist sinnvoll für Pferde, die im 1. Weltkrieg als
Camouflage-Höhlen für Soldaten dienten . . . Bei rsbmc ist das Stofffutter im
(trojanischen) Bauch gar bestickt: NJAHBIC. Haarscharfe Ironie gehört zur Arbeitsweise
des Künstlerpaars. Das zeigt zum Beispiel das Video, das die beiden zeigt, wie sie
lernen eine Kalaschnikow auseinanderzunehmen und wieder zusammenzusetzen. Man
kann es mit Terrorismus in Verbindung bringen, mit Gewalt auch. Nicht zufällig hängt
daneben eine vergrösserte Folie, die in Strukturen aufzeigt, wie Haut unter
Gewalteinwirkung platzt, wobei in die Hautspalten wiederum kleine Vaginas
eingezeichnet sind. Bei rsbmc hat keine Geschichte ein Ende! Man kann das
Waffen-Video aber auch als Arbeitsweise der beiden interpretieren, liefern sie doch jede
Menge scharfer (Denk-)Munition.

Information, Manipulation
Die Methode, mit der rsbmc arbeiten, ist ein Sampling von Informationen, die in
individueller Interpretation neu präsentiert werden. Viele Kunstschaffende arbeiten heute
mit bestehenden Bildern, die sie verändern und/oder umdeuten. Die Methode ist Spiegel
unserer Zeit, die mit immer mehr Informationen und Interpretationen immer weniger
Gewissheit schafft. Vielfach lauert bei solcherart künstlerischem Vorgehen die Gefahr
der Beliebigkeit. Dieser Eindruck stellt sich bei rsbmc nicht ein, zu raffiniert agieren die
beiden zwischen Information und Manipulation. Etwa, indem sie sich in die Augen der
Jungfrau von Guadalupe projizieren und damit ihre Autorschaft «beweisen». Die
Problematik liegt in diesem Fall eher darin, dass die Köder für die Besucher zu wenig
verführerisch, zu versteckt sind, will heissen, manch einer und eine wird kopfschüttelnd
aussteigen, bevor er oder sie überhaupt eingestiegen ist (bis 8. Dezember).